Pescaditos fritos & Sardinitas
oder
„Pescalito – der Suppenfisch im Plastikmeer“
Ich bin in Spanien, male und genieße das Meer und den Strand.
In einem Supermarkt möchte ich einige Lebensmittel kaufen. Nachdem ich interessiert in einigen Regalen gestöbert habe, bin ich im Kühlregal fündig geworden. Dort spricht mich ein eigenartiges Gebilde sehr an.
Wie sich herausstellt, ist es ein in Plastikfolie ein-geschweißter Suppenfisch. Die Form des aufgeschnittenen Fisches und die Farbe der Fischhaut erinnerten mich jedoch eher an die Flügel einer Fledermaus.
Diese skurril anmutende „Skulptur“ gewann sofort mein Interesse, ich musste sie kaufen, um sie zu zeichnen. Die befremdende Form wollte ich mir unbedingt „einverleiben“, geistig besitzen durch Zeichnen - essen wollte ich das „Gebilde“ allerdings nicht.
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Das improvisierte Studio
Einen Tisch, auf dem ich hätte malen können, gab es nicht, es durfte außerdem auch nichts farbig oder schmutzig werden. So legte ich mit einer Plastikfolie den Boden aus und installierte meine Farben, Papiere und Stifte.
Wenn ich auf Reisen bin, müssen meine Reise-Utensilien und meine Mini-Maler-Ausrüstung im Koffer ihren Platz finden. Das bedeutet, dass meistens etwas fehlt.
Aber die Konzentration auf das Wesentliche fällt leicht, wenn all das Überflüssige nicht vorhanden ist. Reduktion soll ja auch ein Erlebnis sein, und mit dem Improvisieren kommen die neuen Ideen.
Ich ging ans Werk. Der sensationelle Fisch ergriff voll und ganz Besitz von mir und nach einer Weile malte ich auf der „Wolke“ der Selbstvergessenheit.
Irgendwann bemerkte ich den Hauskater, der angeschlichen kam. Er hatte den Fischduft geschnuppert, war der „Duftspur“ mit hochgereckter Nase gefolgt, bis er mich und meinen Fisch entdeckte. Die Bewegungen des Katers beim Schnuppern waren denen von Haien ähnlich, die einen „Duftstoff“ aufgenommen hatten.
Er ließ sich gemächlich nieder, und beständig absolutes Desinteresse heuchelnd, legte er sich alle paar Minuten von einer auf die andere Körperseite, bis er so den Fisch erreicht hatte. Das verlogene Katzengesicht, das den Fisch während des Heranpirschens keines Blickes würdigte, werde ich nie vergessen.
Reduktion als System
Mit einigen Ölkreiden und wenigen Gouachefarben nahm ich meine Malerei wieder auf.
Das „Fisch-Gebilde“ immer wieder drehend und in eine andere Position schiebend, habe ich über mehrere Nachmittage hinweg gezeichnet.
Ich male nicht gerne auf dem Boden, trotzdem konnte ich sehr konzentriert arbeiten. Dass ich nur sehr begrenzte Mittel hatte, einige Stifte und nur drei Farben, war eher von Vorteil. Die kurzen Momente der Ablenkung durch die Katze lockerten das intensive Malen auf.
Die Verschmelzung von Zeichnung und Malerei fand ich sehr gut gelungen.
Die Zeichentechnik
Eine Linienzeichnung „umschreibt“ die beabsichtigte Form, umschließt sie und wird zur Umrisslinie.
Die Malerei füllt die Fläche aus. Definiert die Form, indem sie sich vom Zentrum der Fläche an die Umrisslinie herantastet. Das sind zwei unterschiedliche Herangehensweisen.
Teste dich kurz selbst:
Zeichne einen Kreis mit einer Umrisslinie, dann entwickle einen zweiten Kreis vom Zentrum nach außen. Finde heraus, worin der Unterschied liegt.
Das Mappenwerk - Pescalito
Mappenwerk bedeutet, dass es sich um einen Zyklus von zusammenhängenden Papierbildern, Grafiken oder Zeichnungen handelt. Sie werden zusammen präsentiert wie ein Bild.
In einem Wechsel zwischen Malen und Zeichnen entwickelte sich die Pescalito-Serie wie von selbst. Dazu trug wohl maßgeblich mein Fantasie anregendes und inspirierendes Modell bei.
„Fantasie haben bedeutet nicht, sich irgendetwas auszudenken, es bedeutet, sich aus den Dingen etwas zu machen“.
Dieses Zitat wird Thomas Mann zugeschrieben. Ich kenne es aber auch von Joubert oder Saint Exupery. Weitere Personen, die darauf Anspruch erheben, können sich bei mir melden ;-)
Der Suppenfisch im Plastikmeer
Die Präsentation
"Serviervorschläge"
Meine Pescalito-Bilder rahmte ich für die Ausstellung hinter Glas mit Passepartout. Klassisch gerahmt waren sie so aber nur noch expressive Fischbilder im Glasrahmen. Nichts von der Thematik, die mich beim Malen berührte und ich ausdrücken wollte, war mehr vorhanden.
Meine Pescalitos sind für mich ein Synonym für die zunehmende Verschmutzung der Meere durch Plastik-Müll. Und man darf beim Essen von Meeresfrüchten oder Fisch aus dem Meer den Dreck, u.a. Plastik und Quecksilber, in dem die Tiere gezwungen sind zu leben, immer vor Augen haben.
Zeichnungen brauchen eine Form von Rahmung. Papier, ungeschützt und ohne Rahmen, wird unansehnlich und verschmutzt, sollte man es nicht mit Absicht der Vergänglichkeit preisgeben wollen.
Die Präsentation war noch nicht gelöst. Die Arbeiten einfach nur an die Wand hängen war schlecht. Der weitere Bezug zum Plastik fehlte.
Die gerahmten Pescalito-Bilder habe ich - um meinem Thema gerecht zu werden – in Kunststoff verpackt, mit Müll- und Plastiktüten umhüllt. So präsentiert können die Papierarbeiten jetzt „entdeckt“ werden, mit ihrer Botschaft und ihren Sinn erfüllend.
In meiner Ausstellung in München im November 2020 wird die Serie „Pescalitos“ zu sehen sein.
Der Titel - "Pescalitos, der Suppenfisch im Plastikmeer"
„Pescalitos“ …
Pescaditos fritos sind übrigens kleine gebratene Fische, sie werden nicht als Suppenfisch verwendet. Sardinitas sind die kleinere Version der Pescaditos.
Ich habe keine Ahnung wie ich auf das Kunstwort „Pescalitos“ kam. Ich finde diesen Namen für die Serie einfach passend und irgendwie ist das „knackig“.
… „der Suppenfisch aus dem Plastikmeer“
Das „Plastikmeer“ fügte ich durch ein Video ein, welches ich gesehen habe. Darin sieht man einen Taucher im Meer, hört nur seinen Atem, und er schwimmt zwischen Plastikmüll. Das hatte schon etwas von einem Weltuntergangs- oder SiFi-Film. Groteskerweise sah das sogar noch gut aus. Wie ein anderer Planet. Wäre mein morbider Suppenfisch zwischen den Plastikfetzen aufgetaucht, hätte es zum Gesamtbild perfekt gepasst.
Kunststoff hatte auch beim Malen eine Rolle gespielt. Der Fisch war darin verpackt, ich habe auf einer Folie die Arbeiten gemalt und gezeichnet.
Kunst auf Kunststoffen
Auf künstlich hergestelltem Material Kunst darzustellen, hat einen speziellen Reiz. In der Regel verwendet ein Künstler Materialien aus dem direkten Umfeld. Als Papier noch nicht erfunden war, nahm er „Felle und Felswände“ als Grundlage.
Ich zeichne unter anderem auf Plastikfolien mit Filzstiften. Plastiktüten habe ich schon mit Zwanzig gesammelt. Es gab auch damals schon Sammler von Plastik-Einkaufstaschen. Die Grafiken auf den Tüten waren teilweise sehr fantasievoll. Einige erinnerten an LP-Cover. Man musste weder Historiker noch Zukunftsforscher sein um zu erkennen, dass das so nicht ewig gehen würde. Aber mehr dazu in meinem nächsten Blogartikel „Folienzeichnungen“.
Biennale
Vor mehreren Jahren war auf der Biennale in Venedig eine sehr interessante Präsentation zu sehen.
Ein Künstler, leider habe ich den Namen vergessen, hatte sich auf eine interessante Weise mit Müll aus dem Meer beschäftigt. In einem abgedunkelten Raum präsentierte er sehr filigran gearbeitete Gefäße. Sie schienen sehr alt, fragil und kostbar zu sein.
Erst bei genauerem Hinschauen erkannte man, dass es Plastikmüll-Gebilde aus dem Meer waren. Die Gefäße waren sozusagen aus Unrat zusammengebaut. Ich war nicht der einzige, der von dieser Ausstellung beeindruckt war.
Was hatte diesen Künstler wohl bewegt, dem allerletzten Dreck noch etwas Würde oder Sinngebendes zu verleihen?
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Gerhard Marquard, Februar 2020
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