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Farb-Pigment aus Heidelbeeren


Naturfarben

Farbe aus Heidelbeeren

geht das?

... ja.

 

Fällt dir eine Heidelbeere von der Torte auf dein weißes Hemd, dann weißt du mehr über Farbe, als du gefragt hast.

 

Die Herstellung von Farbe aus Beeren ist leicht vorstellbar. Sie werden zuerst zerdrückt, Wasser hinzugeben, aufkochen und kurz köcheln lassen. Die Masse und den Sud durch einen Kaffeefilter abseien und schon hat man eine Farbe. Mit den Zusätzen von Alaun und Bindemittel hält die Farbe besser auf dem Untergrund.


Farbstoff & Farbpigment – was ist der Unterschied?

Lösen sich die Farbteilchen in einer Flüssigkeit auf, ist es Farbstoff, setzt sich Farbpulver am Glasboden ab, ist es Pigment.

Pigment ähnelt in seiner Struktur sehr feinem Sand. In Verbindung mit Wasser erhält man eine Art „Farbschlamm“. Im richtigen Verhältnis ergeben Trenn- und Bindemittel die Farbe, mit der der Maler malt. Trennmittel ist bei wasserlöslichen Farben Wasser, bei Ölfarben das Terpentin.


Die oben hergestellte Farbe würde sich zum Färben von Stoffen, Papieren, Lebensmitteln oder als Tinte eignen. In ihrer Konsistenz wäre sie der Aquarellfarbe ähnlich.

Die Lichtechtheit – die „Sternchen“ auf der Farbtube

Einen Haken haben die Pflanzenfarben, sie sind nicht lichtecht.

Diese wird auf den Tuben der Künstlerfarben mit Sternchen angezeigt. Hier gilt, je mehr, umso stabiler bleibt die Farbqualität wie Sattheit, Leuchtkraft und im Tonwert (sie dunkelt nicht nach und verblasst nicht oder wenig).

Pflanzenfarben, wie Indigo, Krapplack-, Karminrot oder jenes „Heidelbeerrot“ sind nicht licht-echt. Karmin wird aus Schildläusen gewonnen, verliert aber ebenfalls seine Leuchtkraft.

Wie findet man die Lichtechtheit heraus?

In den folgenden sechs Monaten kannst du das hier mitverfolgen.

Karminrot & Co

Die gänigen Rottöne werden heutzutage chemisch hergestellt und haben eine stabile Licht-echtheit. Der Preis einer Tubenfarbe steht durchaus in Verbindung mit der Farbqualität.

Alaun

Färbt man ein Kleidungsstück mit einer Naturfarbe, dann würde sie, zusammen mit dem Schmutz, beim Waschen aus dem Stoff herausgewaschen werden. Alaun „verklammert“ die Farbteilchen mit dem Untergrund bzw. mit dem Wäschestück.

 

Verwendet wurde Alaun von Färbern, Gerbern und Papierherstellern. Alaunsalz findet sich heutzutage u.a. in Deos. Der „Nassrasierer“ kennt den Alaunstift und seine blutstillende Wirkung.

 

Wurden in einer Region Alaunsalze gefunden, kam damit auch der Wohlstand in die Region.

Im 13. Jahrhundert war die wichtigste Handelsdrehscheibe für den gesamten europäischen Handel die Grafschaft Champagne. Die vier Städte Lagny-sur-Marne, Bar-sur-Aube, Provins und Troyes** teilten sich 6 Jahrmärkte pro Jahr. Jeder Markt dauerte zwei Monate, somit war der Handel das ganze Jahr über möglich. Neben Alaun gab es dort noch viel mehr, als das Herz begehrte***.

** Ian Mortimer, Zeiten der Erkenntnis, Piper Verlag, S. 83
***Victoria Finnlay, Das Geheimnis der Farben, List Verlag, S. 169

William M. Turner & das Karminrot

Ein Maler möchte für seine Bilder Farben der besten Qualität haben, sie sollen ja beständig so erhalten bleiben und ihm keine Schande bereiten.

 

Einem namhaften Künstler war die Zukunft seiner Werke komplett egal, William M. Turner. Er verwendete die Farben, wie sie ihm gefielen. Ob sich das Rot aufgrund seiner Lichtechtheit in Grau oder Braun verwandelte, war ihm gleichgültig. Denn gerade diese Farbe inspirierte ihn beim Malen.

 

Turner stand seiner fertigen Kunst extrem desinteressiert gegenüber. Er lagerte seine Bilder in den feuchten Ecken des Ateliers, so dass sich in der Folge Schimmel und Risse in den Farbschichten bildeten.

 

Wer sich mit seinem Leben beschäftigt, gewinnt den Eindruck, dass nur das Reisen und der Moment des Malens wichtig waren. Seine Gleichgültigkeit wirkt befremdlich, denn die Bilder sind das Kapital des Künstlers. Eine mögliche Antwort findet sich in dem Buch „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ von Eugen Herriegel.

 

Es gibt Zeitdokumente, die beweisen, dass Turner über die mangelnde Qualität einzelner Farben beim Kauf informiert wurde.

„Kein Bild von Turner ist auch nur einen Monat, nachdem es gemalt wurde, noch in seiner Perfektion zu erkennen“, schrieb der Kunstkritiker John Ruskin****.

 

**** Victoria Finlay, Das Geheimnis der Farben, S. 159

Dispersionsfarben

Mich erinnert die rasche Veränderung von Farbe an meine ersten Semester an der Kunstakademie. Wir malten u.a. mit Dispersionsfarben, die der Kollege vom Bau zum Abtönen von Wandfarbe an Gebäuden verwendete. Jeder kennt die langgezogenen Flaschen, die im Baumarkt stehen.

Ein Bild, das frisch gemalt der Stolz des Tages war, wurde im trockenen Zustand stumpf, farblos und nichtssagend. Wir malten mit diesen Farben aber nicht aus Gleichgültigkeit, sondern aus Geldknappheit. Die dann immer billiger werdenden Acrylfarben lösten die Dispersionsfarben ab.

Aus Heidelbeeren ein dunkelrotes Farbpigment herstellen

Da Pigment ein trockenes Pulver ist und Beeren viel Wasser enthalten, muss es aus der Frucht extrahiert werden. Die knochentrockene Masse wird zertrümmert und im Mörser zu einem Pulver vermalen.


Für die Herstellung von Krapplack-Ersatz verwende ich:

- ein Kilogramm Heidelbeeren

- Alaun.

- Kupfer (1 Cent-Stück)

Das Wasser extrahieren

Die zerdrückten Heidelbeeren gebe ich in eine Pfanne und lasse sie auf kleiner Flamme köcheln. Die an der Oberfläche sich sammelnde Flüssigkeit schöpfe ich ab. Diesen Vorgang wiederhole ich so lange, bis sich eine „Beerenmasse“ bildet, die einer Grütze ähnelt. Das Kupferstück koche ich mit.


Trocknen

Die Masse streiche ich auf einige Lagen Küchenrolle und lege das ganze an einen luftigen, warmen Platz zum Trocknen.

Auch noch nach einigen Tagen ist das Gemenge nicht „knochentrocken“, sondern ähnelt eher der Konsistenz von Gummibärchen. Also immer noch zu weich, um es im Mörser zu Pulver zu zerstoßen.

Nur mit Luft und Sonne ist der gewünschte Grad an Durchtrocknung nicht erreichbar.


Ab in die Backröhre

Auf niedriger Temperatur trockne ich die zerkleinerten Beeren-Gummis im Backofen.

Die Temperatur muss möglichst niedrig bleibt, da ansonsten das Pigment dunkel wird. Nach ca. 15 Stunden im Backrohr erreichten die Stückchen die notwendige Struktur.

Das Pigment anreiben

Mit einem Hammer zertrümmere ich die Heidelbrocken in möglichst kleine Stückchen, gebe eine Handvoll in den Mörser und zerstoße und zerreibe die Teilchen zu einem Pigment.


Wie aus Pigment Farbe wird?

Wie Du aus Pigmenten Acryl-, Eitempera- oder Ölfarbe herstellst, kannst du hier nachlesen:


Fazit

Es ist eher ein Rezept für Naturfarbenfreaks oder schlechte Zeiten, wenn man nicht mehr an Pigmente kommt. Aber werden die Zeiten schlecht, isst man die Beeren vermutlich auf oder destilliert „Heidelbeergeist“ daraus.

 

Um ein Gefühl für Pigmente zu bekommen, kann ich nur empfehlen, einmal selbst ein Pigment aus einem Naturstoff herzustellen. Für den Maleralltag sollte man abwägen, ob sich der Aufwand für eine nur bedingt lichtechte Farbe lohnt.

Die Anleitung zur Herstellung des Heidelbeerpigmentes findet man im Buch „Werkstoffe und Techniken für das Zeichnen und Malen“ von Hermann J. Heiss auf Seite 122-123.

Inhaltlich Verantwortlicher gemäß § 18 Abs. 2 MStV ist, 

Gerhard Marquard, Josef-Kloo-Str. 1b, 86899 Landsberg, 10. April 2021

Mein Text darf gerne in sozialen Medien geteilt oder an Dritte empfohlen werden.

Für kommerzielle Verwendung muss  eine schriftliche Genehmigung eingeholt werden.

Quellen:
Gebhard Schmidl, Klasse für Maltechnik, Kunstakademie München, 1992/94
Kurt Wehlte, Werkstoffe und Techniken der Malerei
„Werkstoffe und Techniken für das Zeichnen und Malen“ von Hermann J. Heiss
Ian Mortimer, Zeiten der Erkenntnis, Piper Verlag
Victoria Finlay, Das Geheimnis der Farben, List Verlag


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