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Pleinairmalerei


Pleinairmalerei

Freilichtmalerei

Das bedeutet, der Maler malt die Landschaft, direkt vor der Natur. Passender ist die englische Bezeichnung „Direct Painting“.


Bis das Malen im Freien eine Bewegung wurde, war es ein langer Weg. Das lag zum Teil daran, dass die Künstlermaterialien für das Arbeiten in einem Raum ausgerichtet waren. Mit der Erfindung des Papiers und den besseren Stiften fing die Entwicklung der Naturstudien an. Bis zum Auftauchen der Impressionisten vergingen noch Jahrhunderte.

Pportrait Gerhard Marquard beim Pleinairmalen, Kaufering beim Westerholz
Arbeit zu einem Clip über das Pleinairmalen, September 2021

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Erlebe auf dem nebenstehenden Video mit, wie ich das Bild gemalt habe, viel Spaß.

 

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Die alten Meister

Im „Handbuch über die Malerei“ von Cennino Cennini, 1370 – 1440, dem Schüler von Giotto, findet sich eine Anleitung, wie der Malschüler lernt, Berge zu zeichnen (nicht jeder hat die Alpen direkt vor seiner Haustüre). „Nehme einige große Steine, arrangiere sie und zeichne diese ab. Wenn du die Menschen und Bäume entsprechend verkleinert einsetzt, dann werden die Steine wie Berge aussehen“.

 

Im Mittelalter war man davon überzeugt, dass die Berge innen hohl seien. Sie wurden wie „Warzen“ auf der Erdoberfläche gesehen.


Renaissance

Die Maler der Renaissance waren Naturbeobachter. Diese Erkenntnisse haben sie in ihre Bilder eingebracht.

Leonardo da Vincis Zeichnung eines Unwetters im Gebirge führt dem Betrachter das Spektakel nach all den Jahrhunderten noch vor Augen.

Ohne ein Gewitter beobachtet zu haben, wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen.

Leonardo zeichnete nicht stupide ab, beim Zeichnen reflektierte er und erkannte dabei physikalische Gesetze. Beispielsweise war er der erste Maler, der wahrnahm dass, wenn er seine ausgestreckte Hand betrachtete, diese zwar scharf konturiert zu sehen war, der Hintergrund aber unscharf wurde und umgekehrt.

Diese Erkenntnis führte ihn, meines Wissens nach, zu seinem berühmten „Sfumato“, dass mit „verschwommen“ oder „neblig“ zu übersetzen ist.

Indem er bestimmte Formen in seinen Bildern verschleiert, weich und unscharf darstellte, dafür andere in klaren Konturen, folgte der Blick des Betrachters seiner Regieanweisung. Mit dieser Erkenntnis schuf er sich ein Alleinstellungsmerkmal.


Aquarellfarbe


Vor Albrecht Dürer fand sie nur als Entwurfsfarbe Verwendung. Für die Reise ist die Wasserfarbe ideal. Man braucht nur Wasser, ansonsten aber keine weiteren Flüssigkeiten. Dürer ist der Pionier des Reiseaquarells.

Caspar David Friedrich hat auf seinen Wanderungen Skizzen in der Natur angefertigt. Auf einer Seite in seinem Skizzenbuch notiert er, „an diesem Baum habe ich vier Stunden gezeichnet“. Seine „Baumportraits“ tauchen in unterschiedlichen Bildern auf.

Aber alle Naturstudien, die ich von Friedrich kenne, sind reine Vorarbeiten zu Bildern.

Angeblich gab Goethe „Wolkenstudien“ bei ihm in Auftrag geben. Empört lehnte der Maler ab, da er in ihnen die Vermittler zwischen Himmel und Erde sah, und von diesen „Wesen“ macht man keine Studien.


William M. Turner reiste und skizzierte, was auf seinem Weg von England in die Schweiz und Italien lag. Seine Zeichnungen sind wie Stenografien einer Landschaft.

Aus meiner Sicht haben viele seiner „Reiseskizzen“ eine zeitlose Gültigkeit erreicht und sind daher immer noch modern. Für mich stellen diese Arbeiten die ersten mir bekannten Kunstwerke dar, die den Geist der Pleinairmalerei in sich tragen.

 


Sein Geschäftsmodell war Folgendes: Er reiste und füllte Skizzenbücher von der Landschaft und von anderen Sehenswürdigkeiten. In seiner Galerie konnte man sich diese vorlegen lassen und davon Ölgemälde in Auftrag geben. Italien und die Schweiz waren bei den Briten zu dieser Zeit die begehrten Reiseziele.

 

Turners Aquarelltechnik habe ich in nachvollziehbare Schritte zerlegt. In meinem Kurs „Landschaftsskizzen in Aquarell“ an der Akademie EigenArt in Bad Heilbrunn erkläre ich, wie das funktioniert.


Die Schule von Barbizon

Die erste Malerkolonie, die vor der Natur mit Ölfarben malten, wurden bekannt als die „Schule von Barbizon“. Barbizon ist der Name des Dorfes, in dem sie wohnten, ca. 50 Km südlich von Paris.

Sie malten die Landschaftsbilder aber eher aus dem Gedanken des zivilen Ungehorsams heraus. Sie wollten sich dem gängigen Kunstgeschmack ihrer Zeit widersetzen. Sie verstanden sich als Freigeister, die gedanklich mit den Texten von Rousseau verbunden waren und die Natur zu ihrem Thema wählten. Im Freien wurden Skizzen gezeichnet und Bilder angelegt, im Studio dann vollendet. Sie waren die Vorreiter der Impressionisten.


Der Wendepunkt

Beginnt der Maler sein Bild im Freien, beendet es aber im Studio, dann ist das verbindende Element, die Landschaft, die er mit allen Sinnen wahrnimmt und gleichzeitig malt, verloren. Es kommt zu einem Bruch, wie bei einem Filmriss. 

 

Ein Atelierbild entwickelt sich anhand gedanklicher Reflexion und maltechnischer Kenntnisse. Es ist dann zwar „nach allen Regeln der Kunst“ gemalt, aber oft fehlt diese urtümliche Kraft. Man sieht das an den Bildern von Vincent Van Gogh

Malgruppen

Jeder der einmal vor der Natur gemalt oder gezeichnet hat, kennt das mitreißende visuelle Erlebnis. Ich gehe mit meinen Malgruppen z.B. nach der Mittagspause vor die Türe und male fünfzehn Minuten Pleinairskizzen auf Papier. Es passiert selten, dass sich jemand dem verweigert. Die meisten Erleben wie der Wind ihre künstlerischen Probleme wegweht.

Die Impressionisten

Die französischen Impressionisten waren die ersten, die eine Landschaft nicht abmalten, im Sinne einer Wiedergabe, sondern das Gesehene zu einer persönlichen Interpretation umformten. Dabei spielten neue Erkenntnisse in der Farbtheorie und die aufkommenden leuchtenden und bezahlbaren Farben - erstmals in Tuben - eine ebenso große Rolle.

 

Das bahnbrechende Fachbuch stammte von dem Chemiker Michel Eugene Chevrèul „De la loi contrast simultane des couleurs“ von 1889.


 

Mit seinem Buch verhält es sich ein wenig wie mit dem „Kapital“ von Karl Marx. Kaum jemand hat diese Werke je gelesen und für die Praxis waren beide nur bedingt zu gebrauchen, trotzdem hatten sie großen Einfluss genommen. Chevrèuls Erkenntnisse waren kein Lehrbuch für die Maler. Diese entnahmen aber daraus Denkanstöße, die zu einer Experimentierlust mit der Farbe führten.

Warum unbequem im Freien malen?

Die Erkenntnis, dass „die Natur lehrt“, ist nachvollziehbar. Der Maler lernt malen, indem er sie nachahmt. Komposition, Farbgefühl, Pinselführung, Wiedergabe von Blättern oder Wiesen usw. versteht er mit seinem Körper und Wesen zu interpretieren.


Ausguck

Landschaftsbilder sind oft strategische Aussichtspunkte. Sie sprechen noch den Jäger, Krieger und Höhlenmenschen in uns an. Grizimek erzählte hierzu eine Geschichte von einem Schimpansen im Frankfurter Zoo, der gerne der untergehenden Sonne zuschaute.

Wenn ich vor der Natur male …

Als Zwanzigjähriger fuhr ich ins nah gelegene Westerholz, um ein Waldbild zu malen. Ich baute die Staffelei auf, legte Leinwand und Farben zurecht, sah in den Wald und sah nichts als Bäume. Ich räumte die Malausrüstung weg und fuhr verwirrt davon, ohne Bild.

Ein Jahr später, jetzt Teilnehmer einer VHS-Gruppe am Windachspeicher, einem See in der Nähe von Landsberg. Mein Bild habe ich dort von der Staffelei weg an ein Paar verkauft. Das der erste Bildverkauf.

„Schneesturm“, 40 x 80 cm, Öl/Leinwand

Was zog nun die Maler ins Freie?

Einmal malte ich zwischen Landsberg und Erpfting. Kaum war alles aufgebaut, fing ein Schneesturm an zu toben. Mit den Händen habe ich die Farbe auf die Leinwand geschleudert, um fertig zu werden, abzubauen und zurück ins Studio zu fahren. Ein Moment Weltuntergang auf das Bild gebannt.

Im Freien wird man während des Malens oft abgelenkt. Das muss kein Nachteil sein. Die Sonne blendet, Insekten besummen einen und der Wind weht fast immer in den Nacken, egal wo man steht.

 

Ein Mähdrescher rauscht auf mich zu, der Fahrer deutet, ich soll alles Stehen lassen. Mit unverminderter Geschwindigkeit fährt er einen Bogen und wirbelte die trockene  Erde eines abgeernteten Feldes auf. Wenn Forscher in 5000 Jahren einmal mein Bild untersuchen sollten, so wird der Standort, aufgrund der exorbitanten Zahl an Pollen, leicht zu lokalisieren sein. Spätestens dann wird es so berühmt sein wie die Himmelsscheibe von Nebra. ;-))

Pleinairmalerei, Foto Profil Gerhard Marquard
Beim Pleinairmalen, Arbeit auf der Leinwand
Landschaft bei Kaufering, Pleinairmalerei

 

Ein anderes Mal kommt ein Landwirt vorbei geradelt. Er stoppt, wir halten einen kurzen Schwatz. Er hat ein Gesicht wie ein Seemann. Er schaut mein Bild an und fängt zu erzählen an, wie er als junger Kerl in Kriegsgefangenschaft war und dort einen Maler kennengelernt hat. Der Förster kommt! Aus der Distanz hielt er die Staffelei für ein Pfeil-und-Bogen-Ziel. Das Schießen ist hier nicht erlaubt, dabei ist weit und breit kein Mensch!

Ein anderer Tag. In 150 Meter springt ein Marder wie ein Verrückter in die Luft. Ein Maulwurf krabbelt 50 cm vor meinen Füßen vorbei. Es ist Winter und ich male am Lech. Er ist halbseitig zugefroren, aber der Tag ist sonnig. Ich lege die Ölfarben an eine Stelle, damit die Sonne darauf scheint. Das Öl in den Tuben verändert sich im Laufe der Zeit durch die Kälte und die Farbe lässt sich nicht mehr gut verstreichen.  Bei dieser Temperatur halten meine Finger zwei Stunden durch. ...

 

Filmaufnahmen zur Pleinairmalerei
Landschaft bei Kaufering

Ich bin vom Malen im Freien schon klatschnass oder durchgefroren heimgekommen, aber niemals unglücklich über das, was ich gemalt habe. Nie entstand der Eindruck, dass mir der Tag ungenutzt durch die Finger rutschte. Beim Malen vor der Landschaft berührt etwas mein Innerstes.

Am Ende eines Maltages ist oft ein Bild entstanden, von dem ich im Atelier selbst erstaunt bin. Auf der Staffelei finde ich es oft unmöglich. 

Durch eine gefühlte Verschmelzung mit der Natur ergab sich eine malerische Lösung. Im Studio wäre es knifflig gewesen, im Freien hat „es“ sich ergeben.

 

„Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.“

 

Francis Bacon


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