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die Nashörner


Rhinocéros

Ionescus Theaterstück Rhinocéros habe ich mit circa zwanzig zum ersten Mal gelesen. In den folgenden Jahren nahm ich mir die Lektüre immer wieder vor.

An meinem PC steht ein kleines Rhino aus Plastik. Ich weiß nicht einmal mehr, woher ich es habe, es war plötzlich da. Das passt zum Stück und erinnert mich ständig daran ...

 

Als die Zeiten noch andere waren, entdeckte ich ein kleines Theater in Schwabing, das die Aufführung von „Rhinocéros“ ankündigte. Sofort besorgte ich mir eine Eintrittskarte zur Generalprobe.

Am Abend vor der Aufführung hatte ich das Stück nochmals gelesen, denn ich war auf die „Verwandlung der Menschen in Nashörner“ mehr als nur gespannt.

Rhinocéros – ein Theaterstück von Eugène Ionescu

In einer kleinen Stadt treffen sich zwei Freunde in einem Café am Kirchplatz, Behringer und Hans. Während sie sich unterhalten, hören sie zuerst einen ohrenbetäubenden Lärm, dann rennt ein Nashorn vorbei.

Bald darauf abermals Lärm. Wieder rennt ein Nashorn vorbei, dieses zertrampelt die Katze der Nachbarin. Die Menschen im Café können das Gesehene nicht zuordnen und sind verwirrt.

 

Innerhalb kürzester Zeit verwandeln sich immer mehr Menschen der Stadt auf ganz uner-klärliche Weise in Nashörner.

 

In Behringers Arbeitsstelle, einem Büro, teilen sich mittlerweile die Mitarbeiter in unterschiedliche Gruppen: Es gibt die Rhino-Leugner, andere, die Rhinos immer schon mochten, und wieder andere, die meinen, dass man sich mit ihnen verständigen muss, zwangsläufig.

 

Das Stück endet damit, dass alle Menschen der Kleinstadt sich in Nashörner verwandelt haben, nur Beringer nicht. Behringer überlegt einen Moment, ob er nicht mit den Rhinos eine Koexistenz finden sollte, entschließt sich aber, menschlich zu bleiben.

 

Behringer ist der typische Anti-Held. Er trinkt, findet keinen Tagesrhythmus, ist ungepflegt, trägt verlotterte Kleidung und kommt chronisch zu allen Terminen zu spät. All dies im Gegensatz zu seinen „anständigen“ Mitmenschen, die alle zu Nashörnern wurden.

Im Theater

Von der Verwandlung des Schauspielers in ein Nashorn war ich mächtig beeindruckt und bin es noch. Nicht nur ich, das Publikum gab ihm minutenlange Standig-Ovations.

Natürlich sollte ein Schauspieler, der sich mitten in der Aufführung befindet, sich nicht so offenkundig über seinen gelungenen Auftritt freuen, das ist unprofessionell. Man konnte ihm jedoch ansehen, wie er alle Formen der Selbstbeherrschung anwandte, um nur nicht zu grinsen.

Das Stück lese ich bis heute immer wieder und finde es bleibend aktuell.

Das Rhinocéros von Albrecht Dürer

1515 fertigte Dürer einen Holzschnitt des Tieres an. Man muss wissen, dass Dürer nie ein Nashorn gesehen hatte. Er hörte, dass der König von Portugal vom Sultan von Gujarat ein „seltsames Einhorn“ geschenkt bekam. Dürer recherchierte alle Berichte, die das Aussehen des Tieres beschrieben. Angeblich lag ihm auch die Skizze eines unbekannten Künstlers vor. Den Rest erledigte Dürers Fantasie.

Fantasie – Die menschliche Natur

Was mich so besonders daran fasziniert, ist, dass Dürer die menschlichen Eigenschaften, Neugier und Vorstellungskraft, in dieses Blatt mit eingravierte. Es liegt in unserem innersten Wesen, dass unser Geist sich das Unbekannte vorstellbar machen möchte.

Die Nashörner und das Bild

Da mich das Stück so sehr beeindruckte, „musste“ ich ein Bild dazu malen.

Meine Recherche war einfacher als die von Dürer.

 

Das Nashorn habe ich im Tierpark in Hellabrunn gezeichnet. Im Zoo in Augsburg habe ich ebenfalls ein Nashorn gesehen. Zuerst dachte ich, es handle sich um eine Betonskulptur, so still stand es. Als es das Ohr bewegte, erkannte ich, dass es lebendig war.

Ob in Hellabrunn oder in Augsburg, beide sahen traurig aus. Denke ich an diese Nashörner, dann höre ich Rilkes Gedicht „Der Panther“ in meinem rechten Ohr.

 

Auf meinem Bild steht das Nashorn auf einer Straße, im Vollzug der Verwandlung von Mensch zum Tier. Die Kulisse dafür ist die Kaufinger Straße in München.

 

Das Plastik-Rhinocéros an meinem PC, in Sichtweite neben der Uhr, erinnert mich, an das immer wieder aktuelle Theaterstück und Behringers Entschluss, menschlich zu bleiben.

Literaturhinweis: Rhinocéros. Französische Ausgabe. Klett, Stuttgart 2005, ISBN 3-12-597265-5

Die Nashörner, Eugène Ionescu, Schauspiel in drei Akten
Übersetzung:Stauffacher, H. R.; Bremer, Claus, Fischer Taschenbücher 7034, Verlag: Fischer Taschenbuch,

Originaltitel: Le rhinoceros, ISBN-13: 9783596270347,ISBN-10: 3596270340

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